Nachdem die Russische Gruppe Peremena im Jahre 2003 am 3. Kindertheaterfestival nach Turgi eingeladen war, eine Gruppe von Schweizer Kinder im 2004 in Russland war und 2006 wiederum eine Russische Gruppe für das Projekt Zukunftsträume in die Schweiz reiste, waren die Schweizer Kinder eingeladen wieder nach Russland zu reisen.

Die Vorbereitungsarbeiten werden immer aufwendige, dh. die Hürde für den zwischenmenschlichen Kontakt zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen immer höher. Neben den Einzelvisumsanträgen musste für jedes minderjährige Kind eine von den Eltern unterschriebene Bestätigung beigebracht werden, dass das Kind mit der Gruppe nach Russland ein- und wieder von Russland ausreisen darf. Einmal mehr sehr knapp vor der Abreise sind dann endlich die wirklich schönen Einladungsschreiben eingetroffen und die bereits vorbereiteten Anträge für die Visen konnten nach Bern auf das Konsulat gebracht werden.

Am Freitag den 28. September warteten dann 14 Kinder vor der Mehrzweckhalle in Turgi gespannt auf die Reise und nahmen Abschied von Ihren Eltern. Mit dem Postauto wurden wir zum Flughafen gebracht, wo wir elegant ein Gruppen Check-in durchführen konnten. Nach einem kurzen Flug nach Frankfurt und einem dieses Mal sehr kurzen Aufenthalt flogen wir in 5 Stunden nach Perm, wo wir bereits von Herrn Grieb erwartet wurden. Leider sind 6 Koffer nicht angekommen. Es brauchte eine Weile bis die Boden-Crew der Lufthansa ehrlicherweise herausrückte, dass die Koffer aufgrund des Übergewichtes herausgenommen worden sind und nun noch in Frankfurt auf den Weiterflug warten. Nach längerer Verhandlung konnten wir klar machen, dass in der Gruppe 14 Kinder sind, welche das Gewicht des Fliegers nicht Überstrapaziert haben. Das Gepäck wurde dann tatsächlich weitergeschickt und uns sogar am nächsten Tag nach Solikamsk gebracht – gratis.

Mit dem Bus, wieder mit Polizeibegleitung, fuhren wir anschiessend 4 Stunden durch grosse Birkenwälder in den Norden nach Solikamsk, wo wir mitten in der Nacht vom Waldmärchen-Team mit Brot und Salz empfangen worden sind.

Das Waldmärchen ist ein Lager oder auch Gesundheitszentrum genannt, in welchem die Kinder aus Solikamsk im Sommer einen Monat Ferien machen können. In den Zwischenzeiten dient es zur Erholung und für Ferien von Mitarbeitern der Firmen in Solikamsk und für die alten Leute der Stadt. Gleichzeitig werden die Menschen während ihres Aufenthaltes im Waldmärchen gesundheitlich überprüft und allenfalls behandelt. Nach dem Ende der Sowjetunion ist diese Einrichtung zugrunde gegangen und wurde mit auch durch die Initiative von Herrn Edwin Grieb wieder aufgebaut. Im Waldmärchen waren wir während unseres Aufenthaltes in Russland gut aufgehoben und wurden von einer Küchenmannschaft auch sehr gut verpflegt.

Herr Edwin Grieb, der Organisator in Russland, hat für uns ein umfangreiches Programm zusammengestellt.

Wir besuchten mehrere Kindertheatergruppen in deren Städten und Dörfern, welche teilweise bis zu einer Stunde Fahrt entfernt liegen. Dort konnte auf verschiedenste Weise der Kontakt mit den dortigen Kindern und Jugendlichen gepflegt werden und die Kinder von Turgi konnten ihr extra für diese Reise entwickeltes und einstudiertes Theaterstück oder Teile davon aufführen. Dies teilweise auf wunderschönen Bühnen in grossartigen Sälen in den verschiedenen Kulturhäusern der Region.

Das Theaterstück zum Thema Kinderrechte zeigt Szenen zur Kinderarbeit in Indien, zu den Kindersoldaten in Afrika, zum Indianerreservat in den USA, zur Armut in China und über die Vernachlässigung von Kindern in Europa. Auf eindrückliche Art und Weise gespielt von den diesmal eher jungen Kindern des Kinder- und Jugendtheater Turgi. Die Szenen kamen ohne Worte aus und wurden von den Russischen Kindern trotzdem verstanden.

So haben wir die Kindertheatergruppen Peremena in Solikamsk, Tschipolino in Krasnovishersk, Rosinka in Bereznika Sadorinki in Solikamsk und Kristall in Solikamsk besuchen und einige interessante Stunden mit den Leitern und Kindern verbringen können. Diese haben uns ihr aktuelles Stück oder eine Replik über mehrere Stücke der letzten Jahre gezeigt. Und insbesondere wurde viel getanzt und viel gesungen. Dies wird in Russland und insbesondere in den Theatergruppen sehr gefördert, die Qualität der Vorträge war sehr hoch.

Neben dem Besuch in den Kulturhäusern der verschiedenen Theatergruppen hatten wir auch die Möglichkeit die Ortschaften und die verschiedenen Regionen kennen zu lernen und im Norden einen überwältigenden Eindruck der riesigen Weiten der Taiga spüren können.

Eindrücklich war auch der Besuch von zwei Werken von Sponsoren, welche sehr grosszügig die Theatergruppen unterstützen und welche auch unseren Aufenthalt in Russland mitfinanziert haben. So konnten wir die Papierfabrik von Solikamsk besichtigen und die Baumstämme auf Ihrem 1.2 km langen Weg vom Fluss durch das Werk bis zur fertigen Papierrolle verfolgen.

Im Kaliwerk durften die Erwachsenen 300 Meter unter dem Boden sehen, wie das Kalisalz abgebaut wird und die Kinder konnten die modernen Abfüllanlagen über Boden besichtigen. Dort wurden wir auch zu einem überwältigenden Mittagessen mit vielen Köstlichkeiten aus der Küche Russlands eingeladen. Das Essen und die anschliessenden Schönen Worte dauerten derart lange, dass Edwin Grieb die Besichtigung des Museums leider absagen musste.

In verschiedenen Orten durften wir die Schulen besuchen und haben einen Eindruck vom Schulsystem in Russland gewinnen können, in welchem die Kinder und Jugendlich zusätzlich zum Schulunterricht in den verschiedensten Ausrichtungen intensiv gefördert werden. Die Russischen Behörden investieren einen weitaus grösseren Teil ihres Budgets in die Bildung und die Kultur als die Schweizer Behörden. So haben wir neben normalen Schulen auch Weiterbildungsschulen für Lehrpersonen, Musikschulen, Kunstschulen, usw. besichtigen können.

An den Abenden haben wir von Edwin Grieb wieder viel über die unsäglichen Leiden der Russland-Deutschen erfahren können. Edwin Grieb ist Russland-Deutscher und hat die Deportation von der Wolga ins Gulag von Solikamsk miterlebt. Viele sind dabei hungers gestorben oder wurden systematisch umgebracht. Er ist heute weit über 80 Jahre alt und versucht die Geschichte der Russland-Deutschen der Nachwelt als schlechtes Beispiel zu überliefern. So hat er drei umfangreiche Bücher mit den Akten aus verschiedenen Archiven zusammen gestellt, welche das Leben der Russland-Deutschen vor, während und nach der Deportation beschreiben. Es ist ja wirklich erstaunlich, welche Greueltaten auf dieser Welt passiert sind und leider nach wie vor passieren. Er ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft. In deren Räumlichkeiten haben wir viele ältere Menschen kennen lernen können, welche die Deportation mitgemacht haben. Eindrücklich war die Aussage, dass in ihrem Leben eigentlich nur die Jugend wirklich schön war, dh. die Zeit vor der Deportation.

Vor der Fahrt nach Perm sind wir vom Stadtpräsidenten der Stadt Solikamsk eingeladen worden. Auch die Stadt Solikamsk hat Edwin Grieb für unseren Aufenthalt massgeblich unterstützt. Neben dem üblichen Austausch von Gastgeschenken und Schönen Worten haben drei unserer Kinder Ihre Eindrücke über die Zeit in Russland schildern können.

Als krönender Abschluss waren wir vor dem Rückflug in die Schweiz vom Kaliwerk ins gewaltige Opernhaus von Perm eingeladen und durften dort das Ballett Don Quichote sehen.

Die Tage sind flugs vorbeigegangen und schon ist die Zeit gekommen wieder in die Schweiz zurück zu kehren. Vielen Kindern tat der Abschied weh, die Vorfreude die Eltern wieder zu sehen war aber auch vorhanden. Den grössten Teil der Reise haben die Kinder im Flugzeug verschlafen. Nach ein paar Stunden Verspätung hat uns das Postauto am Flughafen abgeholt und konnten die Eltern die müden Kinder vor der Mehrzweckhalle wohlbehalten wieder in Empfang nehmen.

Wir danken all denen, welche durch Ihren Beitrag diese Reise möglich gemacht haben. Sie hat bei den Kindern einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und auch für die Begleitpersonen war die Reise sehr interessant.

Danken möchte ich auch den Eltern der Kinder für das Vertrauen, welche sie uns entgegengebracht haben. Ist es doch nicht selbstverständlich die geliebten Kinder alleine auf eine derart weite Reise mitzugeben.

Aber auch die Kinder, es waren einige jüngere dabei, haben sich gut gehalten. Ein grosses Lob von meiner Seite. Ihr hab die ganzen vierzehn Tage aktiv mitgemacht und Euch von der besten Seite gezeigt. Durch Euer diszipliniertes Verhalten ist auch die Reise ohne Probleme verlaufen.

Auf der Homepage der Gemeinde Turgi www.turgi.ch unter Vereine > Vereinsliste >  Kinder- und Jugendtheater können weitere Informationen abgeholt werden und insbesondere sind dort unsere Erlebnisse in Fotos festgehalten.

Der Organisator und Reiseleiter
Peter Heiniger